Ich war wieder in Japan. Bereits zum zweiten Mal, aber diesmal drei wunderbare Wochen, statt nur ein paar Tage in Tokio. Und obwohl ich wusste, was mich erwartet, hat mich dieses Land wieder voll erwischt. *_*
Es ist schwer zu erklären, wenn man noch nie dort war. Aber irgendwas in Japan catcht mich jedes Mal. Vielleicht ist es die Ruhe. Die Höflichkeit. Die Art, wie selbst ein ganz normaler Supermarkt plötzlich wie ein Erlebnis wird – 7-Eleven-Konbinis in Japan sind einfach Next Level – (if you know, you know.)
Ich glaube, es sind vor allem die besonderen Details, die mich faszinieren: die Architektur und Dekoration zahlreicher Läden. Die perfekt angerichteten Speisen am Teller, die fast zu schön sind, um sie zu essen. Die durchdachte Raumgestaltung im kleinsten Café. Die entzückenden Firmenschilder der kleinen Boutiquen.
Und ja – sogar die Warnschilder auf Straßen, in U- Bahnen und Co.
Denn sie ermahnen nicht, sondern sagen dir freundlich, wie’s besser geht. Meistens sogar mit Manga-Figuren oder knuffigen Tierchen. Kawaii overload inklusive.
Von Kawaii bis Minimalismus: Meine Design-Highlights aus Japan
In diesem Blog-Beitrag möchte ich dich ein bisschen mitnehmen. Nicht auf eine Sightseeing-Tour (davon gibt’s genug bei Instagram und TikTok), sondern in die japanische Art, Design, Ästhetik und Markenidentität zu denken und vor allem zu fühlen.
Japanisches Design ist nie beliebig. Es hat einen eigenen Charakter, eine klare Handschrift – und eine stille Selbstverständlichkeit, die man hier im Westen oft vermisst.
Wäre das nicht genau das, was man ins eigene Brand Design einfließen lassen könnte? Dabei habe ich mir folgende Fragen gestellt:
- Was können wir daraus lernen?
- Warum wirkt in Japan sogar ein einfaches Souvenirgeschäft wie ein durchgestyltes Gesamterlebnis – während bei uns oft schon das Logo und der Laden kaum zusammenpassen?
- Warum sind selbst Warnschilder freundlich – und warum funktioniert das besser als Schockbilder und rote Ausrufezeichen?
- Und wieso traut man sich dort, mit Niedlichkeit zu spielen, ohne an Seriosität zu verlieren?
Das erfährst du in diesem Artikel – oder wie die Japaner sagen würden: はじめましょう (Hajimemashō) – lass uns anfangen.
Artikel-Highlights
- Wabi-Sabi vs. Kawaii: Warum Gegensätze in Japan perfekt zusammenpassen
- Wie selbst Warnschilder mit Charme kommunizieren
- Was kleine Läden über ganzheitliche Markenästhetik lehren
- Vier Learnings für dein Branding – mit Umsetzungstipps
Inhaltsverzeichnis
Zwischen Wabi-Sabi und Kawaii – Zwei Seiten japanischer Gestaltungskultur
Japanisches Design wirkt auf den ersten Blick widersprüchlich. Da ist auf der einen Seite Wabi-Sabi – die Philosophie, Schönheit in Unvollkommenheit, Vergänglichkeit und Einfachheit zu sehen.
Klingt ein bisschen nach Minimalismus, und ja: Es hat viel davon. Aber im Unterschied zu unserem westlichen „clean & perfekt“-Minimalismus darf hier auch eine Macke sichtbar sein. Eine Teeschale mit kleinen Unebenheiten. Holz, das nicht glatt geschliffen ist. – Das hat uns die Gastgeberin während der japanischen Teezeremonie in Osaka erklärt, als wir uns eine Teeschale aussuchen durften.
Auf der anderen Seite hast du Kawaii Überall begegnen dir große Augen, runde Gesichter, niedliche Tierchen. Selbst die U-Bahn hat oft ein Maskottchen. Und die Warnschilder, die dich auffordern, stehen zu bleiben oder leiser zu sein, machen das nicht mit einem strengen Ton, sondern mit einem Lächeln.
Kawaii bedeutet dabei nicht nur „süß“. Es ist auch eine Haltung: Nähe statt Distanz, Freundlichkeit statt Strenge. Regeln, die leichter angenommen werden, weil sie charmant verpackt sind.
Und genau diese zwei Welten machen japanisches Design so spannend: Wabi-Sabi zeigt uns die Schönheit des Reduzierten, Vergänglichen, Unvollkommenen. Kawaii bringt Leichtigkeit und Emotion hinein. Still und verspielt.
Zwei Stile, die scheinbar gegensätzlich sind und doch wunderbar zusammenpassen, weil sie beide tief in der japanischen Kultur verankert sind.
Ganzheitliche Ästhetik: Wenn Logo, Raum und Packaging eins werden
Eines der Dinge, die mich in Japan immer wieder faszinieren, ist die Bedeutung von Ästhetik. Vielleicht bilde ich es mir nur ein, vielleicht ist es in anderen Großstädten der Welt ähnlich. Aber nirgendwo habe ich es so stark gespürt wie hier: Selbst der kleinste Laden wirkt wie ein durchdachtes Konzept.
Logo, Raumgestaltung, Verpackung, Produktdarstellung – alles passt zusammen. Nichts steht für sich allein, sondern wirkt wie Teil eines großen Ganzen. Und das liebe ich!
Vielleicht ist das nur meine persönliche Wahrnehmung: In Japan scheint das Gesamtbild zu zählen. Details sind wichtig. Ästhetik steht über allem. Und zwar nicht nur in Flagship-Stores, sondern auch in Läden, die kaum größer sind als ein Abstellraum.
Ich bin ja echt schon viel gereist, aber nirgendwo sonst habe ich so bewusst erlebt, wie sehr die visuelle Identität bis ins kleinste Detail durchgezogen wird.
Kawaii-Kommunikation: Warum selbst Warnschilder lächeln
Seit ein paar Jahren erlebt Japan einen regelrechten Touristen-Ansturm. Ich verstehe absolut, warum – ich selbst war schon als Kind ein riesiger Japan-Fan und es war mein größter Traum, einmal dorthin zu reisen. Gleichzeitig tut es mir weh zu sehen, wie sehr das Land darunter leidet. Denn mit dem Ansturm kommen leider auch viele respektlose Besucher, die sich nicht anpassen wollen.
Die Reaktion darauf: mehr Warn- und Hinweisschilder. In Zügen, in der U-Bahn, an Sehenswürdigkeiten. Und natürlich auch für die Einheimischen. Aber das Überraschende ist: Selbst diese Schilder sind oft… süß. Entzückend sogar. Statt mit roten Ausrufezeichen oder Schockbildern zu arbeiten, setzen sie auf Manga-Figuren, Maskottchen oder kleine Tiere, die dich höflich darauf hinweisen, was du bitte besser machen solltest.
Auf den ersten Blick wirkt das fast kindlich. Aber genau darin liegt die Genialität. Regeln fühlen sich weniger streng an, wenn sie charmant verpackt sind. In Japan funktioniert das hervorragend, weil Rücksicht und Respekt dort so tief im Alltag verankert sind. Ob das bei uns genauso gut funktionieren würde? Spannende Frage. Das müsste man wohl ausprobieren. 😀
Kommunikation muss nicht autoritär sein, um ernst genommen zu werden. Sie darf freundlich, verspielt, sogar niedlich sein – solange sie respektvoll vermittelt wird. Genau das machen diese Schilder vor. Und genau das können wir auch im Branding lernen: Nicht immer lauter werden, sondern menschlicher.
Was wir aus Japans Design fürs Branding lernen können
Details machen den Unterschied
Details sind kein Luxus, sie sind der Kern der Marke. So habe ich das in Japan wahrgenommen. Denn in vielen Läden, Cafés, Restaurants oder sogar Museen wirkt einfach alles wie aus einem Guss – vom Logo bis zur Hintergrundmusik. Nichts davon ist irgendwie überdrüber. Es ergibt einfach ein stimmiges Ganzes. Als Besucher spürt man diesen roten Faden, oft nur unbewusst.
Und genau das fällt einem erst auf, wenn man wieder von Japan zuhause ist. Nämlich wenn es fehlt. Dann wird klar: Es sind die Details, die den kleinen aber feinen Unterschied machen.
Ästhetik ist Haltung, nicht Dekoration
In Japan ist Ästhetik kein Beiwerk, sondern eine Haltung. Es geht nicht darum, Dinge „schön“ zu machen, sondern darum, Werte sichtbar zu machen.
Und dabei fällt auf, dass Ästhetik hier fast immer Hand in Hand mit Qualität geht. Das betrifft das Handwerk genauso wie die Küche. Ein Keramikbecher ist nicht nur hübsch, er liegt auch gut in der Hand. Ein Gericht ist nicht nur schön angerichtet, es schmeckt auch herausragend. Diese Verbindung von Form und Substanz wirkt selbstverständlich und macht genau deshalb so viel aus.<
Und ganz ehrlich: Wie oft treffen wir Designentscheidungen nur, „weil es modern aussieht“ – ohne dass die Qualität dahinter mithalten kann?
Freundlichkeit funktioniert besser als Lautstärke
Wir sind so daran gewöhnt, dass Kommunikation laut und plakativ sein muss, um zu wirken. In Japan habe ich genau das Gegenteil erlebt.(Shibuya und Shinjuku mit den großen Werbescreens ausgenommen xD) Selbst ein Verbotsschild kommt dort ohne Schärfe aus und erreicht trotzdem, dass man es respektiert.
Vielleicht sogar gerade deswegen.
Für deine Marke könnte das eine spannende Lektion sein: Nicht immer schreien, sondern zuhören. Nicht immer pushen, sondern einladen.
Niedlich ist nicht gleich unprofessionell
Bei uns würde man wahrscheinlich schnell sagen: „Das wirkt ja kindisch.“ In Japan habe ich den Eindruck, dass Kawaii oft wie ein kulturelles Werkzeug funktioniert, um Nähe herzustellen. Vielleicht, weil Japaner nicht die direktesten Menschen sind und Gefühle selten offen ansprechen. Möglicherweise hilft die emotionale Bildsprache dabei, sich auszudrücken und Distanz abzubauen. Es nimmt Strenge heraus, macht Dinge leichter und zugänglicher. Und ja, es scheint zu funktionieren.
Mein Learning: Du darfst Emotionen zeigen. Du darfst Humor haben. Du darfst menschlich wirken – ohne dadurch an Glaubwürdigkeit zu verlieren.
Dein Branding als Gesamterlebnis
- Wer bist du? Wofür stehst du?
- Und wie übersetzen wir das in ein visuelles Branding, das sich für deine Kund:innen nicht nur „schön“, sondern wie aus einem Guss anfühlt.
Alles Liebe,
Tamy 💕